Kriterien für gute oder schlechte Puppen

Die Rubrik „Warum Puppen?“ endet mit der Aussage:

„Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem ich für mich weiß, was mir und meiner Sammlung gut tut :-)“

Natürlich muß jeder Sammler seine eigenen Erfahrungen machen, welche Puppen ihr / ihm gut tun.
Hier möchte ich einige meiner Kriterien aufzeigen, die im Laufe meines „Sammlerlebens“ wichtig geworden sind und meine Entscheidung für oder gegen eine Puppe beeinflussen.

Ohne Frage ist der wichtigste aller Punkte der eigene Geschmack. Wenn eine Puppe gefällt, wenn der Wunsch aufkommt, sie haben zu wollen, sind andere Aspekte oft zweitrangig. Auch die unterschiedlichen Puppenarten (Baby-Puppen, Charakterpuppen, Spielpuppen, Barbies) haben ihre eigene Sammlergruppe; manchmal vermischen sich die Gruppen und sammeln aus verschiedenen oder sogar allen Bereichen.

Ich möchte mich hier auf Puppen konzentrieren, die einer Altersgruppe von ca. 5-6 Jahren und aufwärts darstellen. Bei den anderen Bereichen bin ich nicht fest genug im Sattel, um Empfehlungen zu geben; außerdem gelten für z.B. Baby-Puppen andere Maßstäbe, da die Proportionen-Gebung eine andere sein muß, um dem Alter des modellierten Kindes zu entsprechen.
Zusätzlich beschränke ich mich hier auf Porzellan-Puppen, da bei Vinylpuppen ein anderer Herstellungsprozess zugrunde liegt, der keine faire Vergleichbarkeit bietet.

Anatomie

Obwohl die Proportionen eines Menschen nie zu 100% auf Puppen übertragen werden können - irgendwie sieht es dann komisch aus - sollte die Größe der einzelnen Körperteile schon halbwegs zusammenpassen :-)

Teilweise kann man Wasserköpfe oder Schrumpfköpfe bewundern :-) ; eine weitere Schwierigkeit sind die Länge oder Kürze der Arme

Auch bei Puppen im Kindesalter wäre es wünschenswert, wenn die Hände mindestens bis auf Hälfte der Oberschenkel reichen würden
Natürlich gehört dazu auch die Größe der Hände und Füße; auch wäre es schön, wenn die Puppe keinen Schwanenhals bzw. nur einen Stummelhals hat.

Eine weitere Auffälligkeit, die bei vielen Puppen beobachtet werden kann ist die falsche Augenachse.

Soll heißen, daß die Augen nicht auf gleicher Höhe im Gesicht sitzen, sondern in Schräglage. Ich habe schon Puppen gesehen, bei dem ein Auge um 1 oder mehr Zentimeter „verrutscht“ war.

Augenachsen
Hier als Beispiel Tom's Simulation mit dem 3D-Programm trueSpace:
Auf dem rechten Bild sieht man gut, warum's beim Modellieren "schiefgelaufen" ist!

Ausarbeitung

Kaum ein anderer Bereich, bei dem soviel geschummelt wird.

Beispiel Hände:
Die Finger sollten einzeln ausmodelliert und dann auch als solche erkennbar sein Leider gibt es viele Puppen, bei denen die fisselige Nacharbeit gespart wurde und die Fingerzwischenräume regelrechte „Schwimmhäute“ aufweisen; teilweise nur bis auf Höhe des mittleren Fingergelenkes ausgearbeitet. Auch die Fingernägel sind einen Blick wert. Gibt es eine Modellierung, die plastisch ein Nagelbett und den Nagel zeigt? Oder nur eine glatte Fläche, die mit viel Glück noch ein bisschen weiße Farbe für den Halbmond und den Nagel abbekommen hat?

gut modellierte Hand

Weiterer Rat: Sehen Sie Ihrer Puppe auf die Ohren.
Ein teilweise schwieriger Bereich, schon alleine von der Modellierung und dem Formenbau. Aber trotzdem sollte das Ohr etwas mehr sein als eine gebogene Wurst, die an den Kopf geklebt wurde.

Hat Ihre Puppe eine Nase oder eine Steckdose? :-)
Es ist aufwendig, Nasenlöcher zu modellieren. Viel „einfacher“ ist es, Löcher in die Unterseite der Nase mit eine Ahle zu stechen.

gut modellierter Nasenbereich

Materialien

Ein wichtiger Bereich mit vielen Betrachtungsmöglichkeiten.
Bei einer hochwertigen Puppe erwarte ich eine Echthaarperücke. Auch da gibt es Qualitätsunterschiede, aber die Künstler haben individuelle Präferenzen bei der Auswahl.
Was für Augen wurden verwendet? Günstige Kunststoff-Augen oder hochwertige Glasaugen, am besten mundgeblasen? Glänzen die Augenbrauen bei einer Porzellanpuppe? Dann wurde vielleicht an der Kompnente für die Mattierung der Porzellanoberfläche gespart - oder der Glanz kommt (wie bei manchen Manufakturpuppen) von nachträglich aufgemalter einfacher Lackfarbe (die sich sogar abkratzen läßt!).

Das verwendete Material zeigt mir auch, mit wieviel Liebe zum Detail eine Puppe ausgestattet wird.

Das Puppenkind ist sicher bekleidet :-).
Ist die Kleidung handgearbeitet oder industriell gefertigt? Welche Stoffe wurden verwendet, wie gut sind Stoffe gefärbt? Wie gut ist die Verarbeitung? Manchmal muß man erst mit der Schere dran, um all die raushängenden Fäden zu entsorgen :-) Schuhe und Accessoires sollten ebenfalls einen Blick wert sein.

Fazit

Geschafft. Einige der für mich wichtigen Punkte sind nun zusammengefasst. Vielleicht ist es jetzt etwas besser zu verstehen, dass die Verarbeitung, Detailtreue der Modellierung und korrekte Anatomie nicht nur viel Arbeit und Mühe bedeuten, sondern auch - aufgrund des teilweise enormen Zeitaufwandes - die Preisgestaltung maßgeblich beeinflussen.
Verständlicherweise kann diese Liste nur handwerkliche Punkte nennen; das, was eine wirklich gute Puppe ausmacht - die Ausstrahlung und Wirkung, die sie auf uns hat - lässt sich nicht mit Tatsachen beschreiben. Denn wie bei Bildern auch reagieren die Menschen unterschiedlich auf das, was „es“ ausmacht.
Mein Wunsch wäre es, Sammlern durch meine Zusammenstellung der handwerklichen Hinweise ein bisschen Hilfestellung zu geben. Ansonsten gilt natürlich nach wie vor: Der eigene Geschmack ist das Wichtigste :-)

Anmerkung:

Gerne hätten wir die genannten Fehler anhand von vorhandenen Fotos "real existierender" Puppen dokumentiert. Leider ist dies in der Form nicht möglich, da das Urheberrecht die Puppenmacher sowie Fotografen vor der unerlaubten Veröffentlichung dieser Bilder schützt. Selbst eine Veränderung der Fotos, um die gezeigte Puppe zu verschleiern, ist rechtlich strittig. Da wir "nur" private Betreiber einer Homepage sind und es nicht riskieren wollen, anwaltliche Auseinandersetzungen zu führen, bleibt uns DIESE Möglichkeit der Dokumentation verwehrt.

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